OLG Düsseldorf zu Corona-Lockdown: Doch keine Vertragsanpassung

vorgestellt von Thomas Ax

Die Anpassung der Zahlungsverpflichtungen kommt nicht in Betracht, wenn dem Mieter unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung ein unverändertes Festhalten am Vertrag zuzumuten ist (hier: betreffend den Fall, dass Vertragsgegenstand nicht nur die Überlassung einer Immobilie, sondern auch die Überlassung eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist).
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2022 – 1 U 30/22

Sachverhalt:

Die Parteien waren durch Pachtvertrag vom 10.09.2015 und Nachtrag vom 11.09.2015 bis zum 31.07.2020 für eine Immobilie sowie eine darin befindliche Ballettschule miteinander verbunden. Die Pacht betrug zunächst 9.000,- Euro. Ab dem Jahr 2020 betrug sie 9.445,- Euro aufgrund einer im Nachtrag zum Pachtvertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel. Ab dem 16.03.2020 durfte die Ballettschule aufgrund eines Erlasses der Landesregierung NRW vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie nicht mehr betrieben werden. Die Pächterin zahlte die Pacht für den Monat Mai 2020 nicht. Sie kündigte das Pachtverhältnis fristlos zum 31.07.2020. Die Parteien einigten sich sodann über die Beendigung des Vertrages. Die Klägerin behielt von der geleisteten Kaution 9.445,- Euro wegen der für Mai 2020 ausstehenden Pachtzahlung ein. Für die gesamte Zeit des sogenannten Lockdowns vereinnahmte die Pächterin Mitgliederbeiträge der Ballettschüler und Ballettschülerinnen. Sie sicherte den Schülern und Schülerinnen zu, dass die Stunden nachgeholt würden. Dazu kam es aufgrund der Kündigung nicht mehr. Die Auszahlung der Gehälter der Ballettlehrer und -lehrerinnen als freie Mitarbeiter wurde eingestellt. Diese konnten Kurzarbeitergeld beantragen. Nach Auffassung des LG Düsseldorf (Urt. v. 31.01.2022 – 5 O 58/21, ZMR 2022, 303) steht der Pächterin gegen die Verpächterin kein Anspruch auf Zahlung von 9.445,- Euro aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB oder einer anderen Anspruchsgrundlage zu, da die Verpächterin einen Anspruch auf Zahlung der Pacht für Mai 2020 i.H. des von ihr einbehaltenen (Kautions-)Betrages hat. Hiergegen richtet sich die Berufung der Pächterin. Sie ist der Auffassung, dass der Verpächterin eine Gebrauchsüberlassung unmöglich gewesen und die Pächterin deshalb von ihrer Zahlungspflicht gem. §§ 326 Abs. 1 Satz 1, 275 Abs. 1 BGB frei geworden sei.

Gründe:

Die Klägerin wendet sich nicht dagegen, wie das LG die Grundsätze, die sich durch die Rechtsprechung des BGH zur Anpassung der Miete/Pacht im Falle pandemiebedingter Einschränkungen der Nutzbarkeit der Miet- bzw. Pachtsache herausgebildet haben, auf den vorliegenden Fall angewendet hat. Nach Auffassung der Klägerin ist die Sachlage vielmehr nach Unmöglichkeitsrecht zu beurteilen mit der Folge, dass die Beklagten von der ihnen unmöglich gewordenen Leistung zwar nach § 275 Abs. 1 BGB frei geworden sein sollen, dafür aber auch nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Zeit der Schließung der Ballettschule den Anspruch auf die Gegenleistung, also die Pacht, verloren haben.

Dies trifft jedoch nicht zu: Es liegt kein Fall der Unmöglichkeit vor, sondern ein nach Maßgabe des § 313 BGB zu beurteilender Fall der Störung der Geschäftsgrundlage infolge nicht vorhersehbarer Einschränkungen der Nutzbarkeit des Vertragsgegenstandes.

Zuzustimmen ist der Klägerin zunächst darin, dass sich der Fall von der Konstellation, dass Gewerberäume zu einem bestimmten Zweck vermietet oder verpachtet werden, dann aber pandemiebedingt nicht genutzt werden können, insofern unterscheidet, als Vertragsgegenstand nicht nur die Überlassung einer Immobilie war, sondern auch die Überlassung eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zur Ausübung auf eigene Rechnung durch die Klägerin. Diese Überlassung ist jedoch erfolgt. Die Beklagten haben alles ihnen obliegende getan, um der Klägerin den Betrieb der Ballettschule zu ermöglichen. Der Fall, dass gerade ein solches Gewerbe temporär untersagt wird, begründet keine Unmöglichkeit der Überlassung des Gewerbebetriebes, sondern beeinträchtigt die Nutzbarkeit des vertragsgegenständlichen Gewerbes: Auch in Zeiten des Lockdowns bestand die von der Klägerin betriebene Schule als Gewerbebetrieb fort, es konnte lediglich kein Ballettunterricht stattfinden. Es handelt sich also um den Fall einer öffentlich-rechtlichen Gebrauchsbeschränkung, die sich aus betriebsbezogenen Umständen ergibt und für die der Überlassende grundsätzlich nicht einzustehen hat. Fällt aber die Freiheit von solchen Verboten gar nicht erst in den Pflichtenkreis der Beklagten, so begründet ihr Fehlen gerade keine Unmöglichkeit der Leistungserbringung.

Somit ist auch die vorliegende Konstellation nicht nach Unmöglichkeitsrecht zu beurteilen, sondern richtet sich nach § 313 BGB – welcher im Übrigen auch allein zu interessengerechten Ergebnissen führt. Dazu hat das LG zutreffend ausgeführt, dass eine Anpassung der Zahlungsverpflichtungen der Klägerin vorliegend nicht in Betracht kommt, da der Klägerin unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung ein unverändertes Festhalten am Vertrag zuzumuten ist. Da die Klägerin ihrerseits unvermindert ihre laufenden Einnahmen erzielt hat, weil sie die Mitgliedsbeiträge weiter vereinnahmt hat, zugleich aber keine Kosten für Fremdpersonal mehr aufzuwenden hatte, ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die vertraglich vereinbarte Pacht herabgesetzt werden und die Klägerin dadurch noch weiter gehend finanziell begünstigt werden sollte.

  17. Januar 2023
  Kategorie: Immobilienrecht