OLG Hamm zu konkreter Blindgängerverdacht ist offenbarungspflichtig

vorgestellt von Thomas Ax

Ein über einen bloßen Mangelverdacht hinausgehender, offenbarungspflichtiger Sachmangel (hier: Blindgängerverdachtspunkt auf dem Nachbargrundstück) liegt vor, wenn dieser zu einer verkehrserheblichen Einschränkung der Nutzung des veräußerten Grundstücks führt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Bauvorhaben auf dem veräußerten Grundstück einer vorhergehenden Anzeige bedürfen und behördliche Anordnungen, etwa eine Untersuchung des Grundstücks mittels Bohrungen, nach sich ziehen können. Der Feststellung von Arglist i.S.v. § 444 BGB steht nicht entgegen, dass die Verkäuferseite die Käufer über die Existenz eines objektiv offenbarungspflichtigen Sachmangels nicht aufklärte, weil sie diesen als unbedeutend ansah.*)
OLG Hamm, Urteil vom 28.11.2022 – 22 U 28/22
vorhergehend:
LG Bielefeld, 04.03.2022 – 18 O 1/21

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegenüber den Beklagten Ansprüche aus Mängelgewährleistung aufgrund eines ihm bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrags verschwiegenen sog. Blindgängerverdachtspunkts (auch Bombenverdachtspunkt genannt) auf einem benachbarten Flurstück geltend.

Ursprünglich standen das hier streitgegenständliche Hausgrundstück sowie die beiden angrenzenden Flurstücke im jeweils hälftigen Miteigentum der Eltern der Beklagten, G1 und G2, die das Haus selbst bewohnten. Nachdem der Vater der Beklagten im Jahre 2019 verstorben und von den Beklagten beerbt worden war, übertrug die Zeugin G2 den Beklagten ihren hälftigen Miteigentumsanteil am streitgegenständlichen Hausgrundstück, um diesen die Veräußerung des Hausgrundstücks zu ermöglichen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages waren die Beklagten Eigentümer der streitgegenständlichen Flächen.

Vor Beurkundung des Kaufvertrages besichtigte der Kläger das Kaufobjekt zweimal, wobei die Zeugin G2 jeweils anwesend war und Auskünfte und Erläuterungen bezüglich des Hausgrundstücks gab. Dabei wurde der Kläger nicht darüber informiert, dass auf dem unmittelbar an die vom Kläger erworbenen Flurstücke F2, F4 und F3 angrenzenden Flurstück F1, nahe der Grenze zum als Zuwegung genutzten Flurstück F4, ein sog. Blindgängerverdachtspunkt liegt, d.h. ein Verdachtspunkt für eine Einschlagstelle von nicht detonierten Kampfmitteln („Bombenblindgänger“). Diesbezüglich hatten die Stadt D und die Eltern der Beklagten im Jahre 2019 – im Zuge einer von der Stadt D beabsichtigten Überprüfung des Verdachtspunkts, die u.a. Bohrungen auf dem streitgegenständlichen Flurstück F4 erfordern sollte – eine umfassende Korrespondenz geführt, wegen deren Einzelheiten auf Anlage K3, Bl. 160 ff. d.A., Bezug genommen wird. Zu einer Überprüfung des Verdachtspunkts ist es bisher jedoch nicht gekommen.

Die Parteien schlossen am 23.10.2020 einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über das Hausgrundstück C-Straße #, D, Flurstück F2, sowie über die angrenzenden Flurstücke F4 und F3. Als Kaufpreis wurden 385.000,00 Euro vereinbart. In § 3 Abs. 2 des Vertrages schlossen die Parteien Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag, Anlage K1, Bl. 13 ff. d.A., Bezug genommen.

Einen Tag nach der Beurkundung des Kaufvertrages trafen sich die Parteien an dem Kaufobjekt. Anwesend war auch hier wiederum die Zeugin G2. Im Rahmen dieser Zusammenkunft informierte sie den Kläger erstmals über den Blindgängerverdachtspunkt auf dem Nachbargrundstück und übergab ihm einen von ihr zuvor zusammengestellten Ordner, der Unterlagen betreffend das Kaufobjekt sowie die mit der Stadt D im Jahre 2019 geführte Korrespondenz bezüglich des Verdachtspunkts enthielt.

Der Kläger zahlte in der Folge zunächst lediglich einen Betrag von 335.000,00 Euro an die Beklagten und behielt einen Betrag von 50.000,00 Euro unter Hinweis auf den ihm verschwiegenen Blindgängerverdachtspunkt „bis zur Klärung des Sachverhalts“ ein.

Mit Schreiben vom 03.12.2020 (Anlage B2, Bl. 75 ff. d.A.) teilte die Stadt D dem Beklagten zu 1.) auf entsprechende Anfrage hin u.a. mit, dass eine Überprüfung des Verdachtspunktes in der Regel dann stattfinde, wenn eine Baumaßnahme in dessen Nähe durchgeführt werden solle, weil im Falle mechanischer oder thermischer Beanspruchung des Grundes (z.B. durch baggern, bohren oder rammen) eine erhöhte Gefahr von Kampfmitteln ausgehen könne.

Im Zuge eines Bauvorhabens (Setzen eines Zaunes) auf den Flurstücken F4, F3, F2 wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 26.07.2021 an die Stadt D. Diese teilte ihm mit Schreiben vom 24.08.2021 mit, dass jegliche Baumaßnahmen innerhalb eines 20m-Radius um den streitgegenständlichen Blindgängerverdachtspunkt herum einer vorherigen Kontaktaufnahme mit der Behörde bedürften (Anlage K8, Bl. 171 ff. d.A.).

Der Kläger hat behauptet, die Beklagten hätten von der Existenz des Verdachtspunktes bereits vor Vertragsschluss gewusst. Er hat die Ansicht vertreten, dass das Vorhandensein des Blindgängerverdachtspunkts einen Sachmangel darstelle. Hierzu hat der Kläger behauptet, dass er das erworbene Grundstück nicht vertragsgemäß nutzen könne, zum einen, weil das Risiko bestehe, dass der Blindgänger detonieren und das Kaufgrundstück in Mitleidenschaft gezogen werden könne, zum anderen, weil er bei jeder geplanten Baumaßnahme im Bereich des Verdachtspunktes immer zuvor einen Antrag bei der Stadt D stellen müsse. Letztere könne jederzeit eine Untersuchung des Verdachtspunktes anordnen, was zwangsläufig zu erheblichen Eingriffen in das Kaufgrundstück durch Bohrungen oder ähnliche Maßnahmen führe und mit erheblichen Kosten verbunden sei. Diese seien nach Auskunft der Zeugin G2 mit ca. 15.000,00 Euro zu beziffern. In dieser Höhe sei, so hat er – der Kläger – gemeint, der Kaufpreis zu reduzieren.

Der Kläger hat sich ursprünglich mit einer Vollstreckungsgegenklage gegen die von den Beklagten angedrohte Zwangsvollstreckung wegen des ausstehenden Restkaufpreises gewehrt und beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Kaufvertragsurkunde für unzulässig zu erklären. Nachdem der Kläger im Februar 2021 den restlichen Kaufpreis von 50.000,00 Euro an die Beklagten gezahlt hatte, hat er die ursprünglichen Anträge für erledigt erklärt und sodann beantragt,

1. festzustellen, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat, soweit er beantragt hat, die Zwangsvollstreckung aus dem notariell abgeschlossenen Kaufvertrag vom 23.10.2020 des Notars E, D, Urkundennummer …/2020, für unzulässig zu erklären;

2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 15.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagten zu 1. bis 3. verpflichtet sind, ihm sämtliche mögliche Schäden zu erstatten, die ihm künftig im Zusammenhang mit dem auf dem Flurstück F1 liegenden Bomben-Verdachtspunkt VP 6311 entstehen werden.

Die Beklagten haben sich der Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben gemeint, dass ein Verdachtspunkt auf einem Nachbargrundstück keinen Sachmangel des Kaufgegenstandes begründe. Sie haben behauptet, dass von dem Verdachtspunkt keinerlei Gefahr für das streitgegenständliche Grundstück ausgehe und auch aufseiten der Stadt D kein akuter Handlungsbedarf bestehe. Sie – die Beklagten – hätten keine Kenntnis von dem Vorliegen des Verdachtspunktes gehabt. Ihre Mutter, die Zeugin G2, habe sich bei den Besichtigungsterminen an das Vorliegen des Verdachtspunkts nicht erinnert. Im Übrigen sei eine etwaige Kenntnis ihrer Mutter, so meinen sie – die Beklagten -, ihnen nicht nach §§ 166, 278 BGB zurechenbar. Schließlich sei dem Kläger auch kein Schaden entstanden; der Vortrag zur geltend gemachten Schadenshöhe sei unschlüssig. Im Übrigen treffe eine Pflicht zur Kostentragung für etwaige Untersuchungs- und Beseitigungsmaßnahmen auch nicht den Kläger, da dieser nicht Eigentümer der Verdachtsfläche sei.

Das Landgericht hat dem Klageantrag zu 3., gerichtet auf Feststellung, dass die Beklagten gegenüber dem Kläger zur Erstattung sämtlicher möglicher Schäden aufgrund des Verdachtspunktes verpflichtet sind, stattgegeben. Hierzu hat es ausgeführt, dass das Vorhandensein des Verdachtspunkts, entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu sog. „Altlastenfällen“, einen Sachmangel darstelle. Das Gewährleistungsrecht sei auch nicht durch § 3 Abs. 2 des Kaufvertrages ausgeschlossen, da die Beklagten den Verdachtspunkt arglistig verschwiegen hätten (§ 444 BGB). Dahinstehen könne, ob die Beklagten vom Bestehen des Verdachtspunktes Kenntnis hatten. Die Beklagten müssten sich das Wissen ihrer Mutter, der Zeugin G2, die bei den Besichtigungsterminen als deren Verhandlungsgehilfin aufgetreten und der der Verdachtspunkt bekannt gewesen sei, gemäß §§ 166, 278 BGB zurechnen lassen. Rechtsfolge sei, dass die Beklagten für etwaige Schäden einzustehen hätten, die sich aus dem Vorliegen des Verdachtspunktes ergeben. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Nicht gegeben sei der mit Klageantrag zu 2. geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 15.000,00 Euro wegen eines etwaigen Minderwerts des Grundstücks. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Grundstück aufgrund des Blindgängerverdachts am Markt geringer bewertet werden würde. Ein Anspruch bestehe aber auch deswegen nicht, weil der Kläger nicht zugleich die Kosten für die Mangelbeseitigung (Kosten für eine etwaige Untersuchung bzw. Entschärfung), mit denen er den Feststellungsantrag begründe, und einen etwaigen Minderwert verlangen könne. Wegen der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit der eingelegten Berufung begehren die Beklagten – unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils – die vollständige Abweisung der Klage. Zudem sei das Urteil des Landgerichts überraschend gewesen, weil nicht ersichtlich gewesen sei, dass das Landgericht von der zunächst geäußerten Ansicht, der Verdachtspunkt stelle schon keinen Sachmangel dar, habe abrücken wollen. Das Landgericht habe die Zeugin G2 zudem verfahrensfehlerhaft nicht zu einer etwaigen Kenntnis von dem Verdachtspunkt, die bestritten werde, vernommen. Des Weiteren sei der Tenor des landgerichtlichen Urteils hinsichtlich des zugesprochenen Feststellungsantrags zu unbestimmt und zu weit gefasst. Im Übrigen vertiefen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagten beantragen,

unter teilweiser Abänderung des am 04.03.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Bielefeld, Az.: 18 O 1/21, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ergänzt seinen erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.11.2022 die Mutter der Beklagten, Frau G2, zeugenschaftlich vernommen. Wegen des Inhalts der Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 07.11.2022 (Bl. ff. 154 GA) Bezug genommen. Wegen der Angaben der in der vorgenannten Sitzung angehörten Parteien wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 07.11.2022 (Bl. 158 f. GA) verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.

1. Der in der Berufung ausschließlich streitgegenständliche Klageantrag zu 3. ist zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet.

a. Der Klageantrag zu 3. ist als Feststellungsklage zulässig.

aa. Der Kläger macht mit den geltend gemachten Schadenersatzansprüchen ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen ihm und den Beklagten geltend. Er hat auch ausreichend dazu vorgetragen, dass von dem Verdachtspunkt die potentielle Gefahr des Eintritts von Schäden auf seinem Grundstück ausgeht, so dass das notwendige Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO vorliegt.

bb. Entgegen der mit der Berufung vertretenen Ansicht der Beklagten ist der Feststellungsantrag auch hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag eine bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit werden der Streitgegenstand abgegrenzt und die Grenze der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festgelegt sowie Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts bestimmt. Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert eine Individualisierung des Streitgegenstands. Der Kläger muss die gebotene Bestimmung des Streitgegenstands vornehmen und kann sie nicht zur Disposition des Gerichts stellen. Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags wie des Klagegrundes ist in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 – VII ZR 19/18, ZfBR 2018, 775 m.w.N.; BGH, Urteil vom 29. Januar 2019 – VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 m.w.N.).

Soweit die Beklagten einwenden, ein Anspruch des Klägers könne allenfalls gerichtet sein auf Erstattung von Kosten einer etwaigen Mängelbeseitigung, nicht jedoch auf Ersatz eines – ebenfalls vom Antrag umfassten – merkantilen Minderwerts oder entgangenen Gewinns im Falle eines späteren Verkaufs der streitgegenständlichen Immobilie, betrifft dies nicht die Frage einer hinreichenden Bestimmtheit i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, also der Zulässigkeit des Antrags, sondern die materiell-rechtliche Frage des Umfangs etwaiger Ersatzansprüche des Klägers aufgrund des streitgegenständlichen Blindgängerverdachtspunktes. Der Antrag des Klägers und die Tenorierung des Landgerichts umfassen „sämtliche“ mögliche Schäden, die dem Kläger künftig aufgrund des Blindgängerverdachtspunktes entstehen werden. Damit ist ausreichend klargestellt, dass jegliche noch eintretende Schäden, sowohl solche, die auf einer Mangelbeseitigung beruhen, als auch solche, die aus der Realisierung eines etwaigen Minderwerts des Grundstücks resultieren, abgedeckt sein sollen. Die Frage, ob und in welchem Umfang derartige Ansprüche bestehen, ist allein Frage der Begründetheit der Klage.

b. Der Klageantrag zu 3. ist im tenorierten Umfang begründet.

Dem Kläger steht gegenüber den Beklagten ein Anspruch auf Feststellung zu, dass ihm sämtliche mögliche Schäden zu erstatten sind, die ihm künftig aufgrund des auf dem Flurstück F1 liegenden Blindgängerverdachtspunkt VP 6311 entstehen werden, mit Ausnahme eines etwaigen Minderwertes des streitgegenständlichen Grundstücks, der zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages bereits bestanden hat.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz etwaig eintretender Schäden statt oder neben der Leistung aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB oder §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB gegenüber den Beklagten zu.

aa. Der auf dem benachbarten Flurstück F1 gelegene Blindgängerverdachtspunkt VP 6311 stellt einen offenbarungspflichtigen Mangel des streitgegenständlichen Kaufobjekts dar, den die Beklagten arglistig verschwiegen haben.

Im Einzelnen:

(1) Der auf dem Flurstück F1 gelegene Blindgängerverdachtspunkt VP 6311 begründet einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblichen Fassung vom 02.01.2002 (nachfolgend: a.F.), weil das Kaufobjekt aufgrund des Verdachtspunkts nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es für die rechtliche Wertung nicht entscheidend darauf an, dass derzeit nur der bloße Verdacht des Vorhandenseins eines Blindgängers und seitens der Behörde kein „akuter Handlungsbedarf“ besteht. Denn anders als in den im landgerichtlichen Urteil zitierten „Altlastenfällen“ (vgl. etwa BGH, Urteil vom 08. Juli 2016 – V ZR 35/15 -, Rn. 8 m.w.N.) oder „Kontaminationsfällen“ (etwa BGH, Urteil vom 16. April 1969, VIII ZR 176/66 – Salmonellenbefall; BGH, Urteil vom 07. Februar 2003, V ZR 25/02, Hausschwamm; Senat, Beschluss vom 13. Februar 2017 – I-22 U 104/16 – Marderbefall), in denen die Frage streitentscheidend ist, ob und unter welchen Voraussetzungen ein (allein) bestehender Mangelverdacht einen offenbarungspflichtigen Sachmangel darstellen kann, führt der auf dem benachbarten Flurstück F1 gelegene Blindgängerverdachtspunkt im vorliegenden Fall zu einer verkehrserheblichen Einschränkung der Nutzung des streitgegenständlichen Grundstücks, die einen – über den bloßen Mangelverdacht hinausgehenden – Sachmangel begründet.

Dass der Blindgängerverdachtspunkt auf dem Flurstück F1 zu einer verkehrserheblichen Einschränkung der Nutzung des streitgegenständlichen Grundstücks führt, steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schreiben der Stadt D, deren Inhalt unstreitig ist, fest.

So hat die Stadt D dem Kläger mit Schreiben vom 24.08.2021 (Bl. 171, 172 d.A.) mitgeteilt, dass im Falle der Durchführung von Baumaßnahmen in einem Radius von 20 Metern um den Verdachtspunkt herum eine Anzeigepflicht gegenüber der Behörde besteht. Ausweislich des dem vorgenannten Schreiben angehängten und in Bezug genommenen Lageplans (Bl. 173 d.A.) betrifft der dort „rot gekennzeichnete Bereich“, also der Bereich, auf den sich eine Anzeigepflicht des Klägers im Falle eines Bauvorhabens bezieht, einen Großteil des in seinem Eigentum stehenden Flurstücks F4.

Dass ein Bauvorhaben im vorgenannten, von dem Verdachtspunkt betroffenen Bereich Einschränkungen oder behördliche Anordnungen nach sich ziehen kann, ist zwar in dem vorgenannten Schreiben vom 24.08.2021 nicht ausdrücklich mitgeteilt, folgt jedoch eindeutig aus den mit Vorlage der zwischen den Eltern der Beklagten und der Stadt D im Jahre 2019 geführten Korrespondenz (Anlage K3, Bl. 160 ff. d.A.) belegten Umständen, die im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben des Grundstücksnachbarn, dem Zeugen H, standen. Letzterer hatte im Zuge seines Bauvorhabens geplant, im Bereich des Verdachtspunkts eine Baustellenzufahrt zu errichten. In diesem Zusammenhang hatte die Stadt D eine Überprüfung des Verdachtspunktes angeordnet mit der Begründung, dass von Blindgängern eine erhöhte Gefahr ausgehe, wenn sie, insbesondere durch Baumaßnahmen in diesem Bereich, „mechanisch oder thermisch – z.B. durch baggern, bohren, rammen u. a. – beansprucht“ würden (vgl. Bl. 164 d.A.). Die geplante Überprüfung des Verdachtspunkts hätte auch Bohrungen auf dem streitgegenständlichen Flurstück F4 erfordert (vgl. Schreiben der Stadt D vom 03.12.2020, Bl. 75, 76 d.A.) mit der Folge, dass das betroffene Flurstück, das insbesondere der Zufahrt zum Hausgrundstück dient, während laufender Untersuchungen nicht hätte genutzt werden können. Zwar ist es im Folgenden zu der geplanten Untersuchung nicht gekommen, da die geplante, mittels Verdichtungsarbeiten herzustellende Baustellenzufahrt nicht errichtet worden ist, sondern die vorhandene Zuwegung unter Beachtung bestimmter Auflagen befahren werden durfte (Bl. 76 d.A.). Die Stadt D hat jedoch im Schreiben vom 29.05.2019 (Bl. 160 d.A.) klargestellt, dass eine Prüfung des Verdachtspunktes „zunächst zurückgestellt“ werde und „zum jetzigen Zeitpunkt nicht geplant“ sei. Im Schreiben vom 03.12.2020 (Bl. 76 d.A.) findet sich zudem der Hinweis der Behörde, dass ein Blindgängerverdachtspunkt in der Regel überprüft werde, „wenn eine Baumaßnahme in dessen Nähe durchgeführt werden soll“.

Eine Gesamtbetrachtung der genannten Umstände lässt den sicheren Schluss darauf zu, dass im Falle der Realisierung eines Bauvorhabens im betroffenen Bereich behördliche Anordnungen getroffen werden, die die uneingeschränkte Nutzung des Grundstücks zumindest erschweren und beeinträchtigen.

Soweit die Beklagten rügen, dass das Schreiben der Stadt D vom 24.08.2021 deshalb unbeachtlich sei, weil es nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages datiere, ist dies unerheblich. Denn der Verdachtspunkt und die sich hieraus ergebenden, oben dargestellten Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung lagen schon vor Gefahrübergang vor.

Der Verweis der Beklagten auf das Urteil des BGH vom 21. Dezember 1989 (III ZR 118/88, BGHZ 109, 380-396) verfängt ebenfalls nicht. Denn dem zitierten Urteil lag ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde. Dort ging es um die Frage, ob planbetroffene Dritte Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung gemäß § 839 BGB gegenüber dem Staat geltend machen können, wenn ihr Grundstück selbst von Schadstoffen unbelastet ist, aber die Wohnqualität dadurch beeinträchtigt wird, dass es in der Nachbarschaft oder Umgebung schadstoffbelasteter Grundstücke liegt, was u.a. aufgrund der zu beachtenden planerischen Aspekte im Ergebnis abzulehnen war. Im Übrigen unterscheidet sich der zitierte Fall von dem vorliegenden Fall auch dadurch, dass das Vorhandensein des Verdachtspunkts hier, wie oben dargelegt, zu konkreten (Nutzungs-)Einschränkungen des streitgegenständlichen Grundstücks führt.

Ohne Erfolg rügen die Beklagten schließlich, dass das Landgericht das Vorliegen eines Sachmangels verfahrensfehlerhaft, unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in Gestalt der Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO) festgestellt habe. Denn ein solcher Verstoß könnte allenfalls zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO führen, die die Beklagten indes nicht beantragt haben. Im Übrigen haben die Beklagten im Rahmen des Berufungsverfahrens ausreichend Gelegenheit erhalten, zur Frage des Vorliegens eines Sachmangels Stellung zu nehmen und hiervon auch Gebrauch gemacht, so dass ein etwaiger Verstoß jedenfalls in der Berufungsinstanz geheilt ist.

(2) Die Beklagten können sich auch nicht auf den in § 3 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen. Dieser scheitert an § 444 BGB, da die Beklagten bei Vertragsschluss den Blindgängerverdachtspunkt – trotz Bestehens einer Aufklärungspflicht – arglistig verschwiegen haben.

Arglist setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest Eventualvorsatz voraus; leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt dagegen nicht. Ein arglistiges Verschweigen ist danach nur gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Dagegen genügt es nicht, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen, weil dann die Arglist vom Vorsatz abgekoppelt und der Sache nach durch leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis ersetzt würde. Auch ein bewusstes Sichverschließen genügt nicht den Anforderungen, die an die Arglist zu stellen sind (vgl. BGH Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 23/15NJW 2017, 150 Rn. 21). Voraussetzung für ein vorsätzliches Verschweigen eines Mangels ist stets, dass der Verkäufer den konkreten Mangel kennt oder zumindest für möglich hält (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2012 − V ZR 18/11NJW-RR 2012, 1078 Rn. 24).

(a) Der Blindgängerverdachtspunkt stellt einen offenbarungspflichtigen Mangel dar.

Bei dem Verkauf eines Grundstücks besteht eine Pflicht zur Offenbarung verborgener Mängel oder von Umständen, die nach der Erfahrung auf die Entstehung und Entwicklung bestimmter Mängel schließen lassen, wenn es sich um Umstände handelt, die für den Entschluss des Käufers von Bedeutung sind, insbesondere die beabsichtigte Nutzung erheblich zu mindern geeignet sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2012 – V ZR 18/11 -, Rn. 21; BGH, Urteil vom 19. Februar 2016 – V ZR 216/14 -, Rn. 11). Bei den Mängeln, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar sind, besteht dagegen keine Offenbarungspflicht. Der Käufer kann insoweit eine Aufklärung nicht erwarten, weil er diese Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann. Nicht ohne weiteres erkennbar sind indes solche Mängel, von denen bei einer Besichtigung zwar Spuren zu erkennen sind, die aber keinen tragfähigen Rückschluss auf Art und Umfang des Mangels erlauben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2000 – V ZR 285/99 – NJW 2001, 64; BGH, Urteil vom 12. Januar 2001 – V ZR 322/99). In diesen Fällen muss der Verkäufer gemäß seinem Kenntnisstand aufklären und darf sein konkretes Wissen nicht zurückhalten.

Über den Blindgängerverdachtspunkt VP 6311 als Sachmangel hätten die Beklagten den Kläger aufklären müssen. Denn der Mangel war bei einer Besichtigung des Kaufobjekts nicht erkennbar.

Die Offenbarungspflicht entfällt nicht deswegen, weil es – wie die Beklagten behaupten – allgemein bekannt sei und sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ergebe, dass das Stadtgebiet D und dort insbesondere Bereiche in der Nähe von Bahntrassen wie dem „J“ mit Blindgängern stark belastet seien. Die Beklagten behaupten schon nicht, dass dem Kläger der Verdachtspunkt 6311 hätte konkret bekannt sein können, und dass und in welchen öffentlich zugänglichen Quellen der Verdachtspunkt vermerkt sein soll. Allein die etwaige Kenntnis von dem Umstand, dass der Bereich, in dem das streitgegenständliche Grundstück liegt, im zweiten Weltkrieg unter Beschuss gestanden hat und die abstrakte Möglichkeit des Vorhandenseins eines Blindgängers besteht, begründet keine entsprechende Nachforschungspflicht des Käufers.

(b) Die Beklagten haben die ihnen danach obliegende Aufklärungspflicht nicht erfüllt. Es ist unstreitig, dass der Kläger erst nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages über das Vorhandensein des Blindgängerverdachtspunktes informiert worden ist. Insoweit handelten die Beklagten arglistig. Dabei müssen sie sich das Wissen und Verhalten der Zeugin G2, die von den Beklagten bei den Besichtigungsterminen als deren Verhandlungsgehilfin eingesetzt worden ist und derer sie sich zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufklärungspflichten bedient haben, zurechnen lassen. Dass der Zeugin G2 der Blindgängerverdachtspunkt VP 6311 bekannt und bewusst war und sie es zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass der Kläger, wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden, den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte, steht zur Überzeugung des Senats nach Durchführung der Beweisaufnahme fest.

Im Einzelnen:

(aa) Die Zeugin G2 war Verhandlungsgehilfin der Beklagten.

Beim Grundstückskauf ist dem Verkäufer gemäß § 166 Abs. 1 BGB (analog) das Wissen desjenigen zuzurechnen, der Verhandlungsführer oder Verhandlungsgehilfe ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 02. Juni 1995 – V ZR 52/94; BGH, Urteil vom 14. Mai 2004 – V ZR 120/03 -, NJW-RR 2004, 1196). Verhandlungsgehilfe ist, wer im Rahmen der Vertragsanbahnung originär im Zuständigkeitsbereich des Verkäufers liegende Aufgaben für diesen übernimmt, insbesondere die Gespräche oder die Korrespondenz mit den Kaufinteressenten führt und die Besichtigungstermine leitet, also nicht nur weisungsgemäß etwaigen Kaufinteressenten das Haus aufschließt, um eine Besichtigung zu ermöglichen.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Zeugin G2 – nach den oben dargelegten Maßstäben – als Verhandlungsgehilfin der Beklagten aufgetreten ist. Es steht aufgrund der Angaben der nach § 141 ZPO im Senatstermin angehörten Beklagten sowie der Aussage der Zeugin G2 fest, dass diese von den Beklagten mit der eigenverantwortlichen Durchführung von Vertragsverhandlungen und -gesprächen betraut wurde.

Der Beklagte zu 2. hat im Senatstermin angegeben, dass die Zeugin G2 mit ihm zusammen alle Besichtigungstermine, auch diejenigen in Anwesenheit des Klägers, durchgeführt habe. Weiter hat der Beklagte zu 2. bekundet, dass die Zeugin G2 das streitgegenständliche Haus „mit gebaut“ und es lange Jahre – bis zu ihrem Auszug im Jahre 2017 oder 2018 – bewohnt habe. Das Haus sei „ihre Baustelle“ gewesen; sie wisse am besten, „welche Heizung oder welche Steine verbaut“ worden seien, wobei selbst der Vater „teilweise außen vor“ gewesen sei. Er – der Beklagte zu 2. – hätte hierzu nichts sagen können.

Aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des Beklagten zu 2. ist zu schließen, dass die Zeugin G2 damit betraut wurde, als Repräsentantin der Beklagten in eigener Verantwortung Nachfragen der Kaufinteressenten zu beantworten sowie Kenntnisse und Informationen über das streitgegenständliche Kaufobjekt weiterzugeben, über die die Beklagten selbst nicht verfügten. Die Beklagten haben somit die Erfüllung der ihnen obliegenden Auskunfts- und Offenbarungspflichten hinsichtlich des Kaufobjekts vollständig ihrer Mutter überlassen, die ihnen gegenüber insoweit einen erheblichen Wissensvorsprung hatte.

Gestützt wird dies durch den – unstreitig gebliebenen – Umstand, dass die Zeugin G2 ihren Miteigentumsanteil an dem Kaufobjekt den Beklagten erst kurze Zeit vor Abschluss des streitgegenständlichen notariellen Kaufvertrages übertragen hatte, damit, wie der Beklagte zu 2. im Senatstermin unbestritten angegeben hat, das Haus veräußert werden könne und ihre Mutter „nichts mehr damit zu tun“ habe. Mag die Zeugin G2 zum Zeitpunkt der Besichtigungstermine auch nicht mehr Eigentümerin im Rechtssinne gewesen sein, bekleidete sie dennoch – auch im Außenverhältnis zum Kläger – faktisch eine Stellung, die derjenigen einer Eigentümerin und Verkäuferin des Grundstücks nahe kam.

Dass die Zeugin G2 weitaus mehr war als eine am Verkauf völlig unbeteiligte Dritte, ergibt sich zudem daraus, dass die Zeugin G2 auch nach Durchführung der Besichtigungstermine als „Ansprechpartnerin“ für die Beklagten tätig wurde. So hat sich der Kläger nach Besichtigung des Objekts mit der Kundgabe seines Kaufinteresses nicht an die Beklagten, sondern zunächst an die Zeugin G2 gewandt (whatsapp-Nachricht vom 04.09.2020, Anlage K2, Bl. 25 d.A.). Dass die Zeugin G2 nach dem Vortrag der Beklagten keine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht hatte, sich die Beklagten vielmehr den Abschluss des notariellen Vertrages selbst vorbehielten und sie auch keine Befugnis hatte, etwa über den vorgegebenen Preis zu verhandeln, ist nicht von Bedeutung, denn dies ist für ihre Repräsentantenstellung nach den oben dargelegten Maßstäben gerade nicht Voraussetzung (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 27. Juni 2018 – 5 U 93/17 -, BeckRS 2018, 21461 Rn. 24).

Schließlich wird die Überzeugung des Senats indiziell auch dadurch gestützt, dass die Zeugin G2 – unstreitig – auch nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages als Ansprechpartnerin hinsichtlich des Kaufobjekts auftrat und sie es war, die den Kläger über das Vorhandensein des Blindgängerverdachtspunktes informierte. Dass die Zeugin G2 mit dieser Rolle eigenverantwortlich betraut war, folgt auch aus dem von ihr im Senatstermin glaubhaft geschilderten und letztlich unstreitig gebliebenen Umstand, dass sie einen Ordner mit Unterlagen betreffend das streitgegenständliche Kaufobjekt zusammengestellt hat, den sie dem Kläger nach Abschluss des Kaufvertrages übergeben und mit ihm „durchgeblättert“ hat.

Der Verweis der Beklagten auf die obergerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit Maklertätigkeiten, wonach ein Verkäufer nicht in jedem Fall für unzutreffende Angaben seines Maklers haftet (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. Januar 2011 – 13 U 148/10), geht fehl. Denn die Zeugin G2 war nicht „Maklerin“ im Rechtssinne (§§ 652 ff. BGB) und ist auch nicht nur beschränkt „wie eine Maklerin“ tätig geworden. Dass sich die Grundsätze einer Wissenszurechnung im Falle der Einschaltung eines Maklers anders darstellen können als im Falle der Einschaltung eines Verhandlungsgehilfen, liegt daran, dass der Makler durch seine Vermittlungstätigkeit eine eigene – vertragliche und vergütungspflichtige – Leistung gegenüber dem Auftraggeber erbringt, die nicht ohne weiteres zugleich die Verpflichtung des Auftraggebers gegenüber dem späteren Vertragspartner erfüllt. Auch aus dessen Sicht erscheint der Makler nicht generell als Hilfsperson des Kontrahenten, sondern – je nach Sachlage – als Dritter, der durch seine Tätigkeit die Parteien zusammenbringt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. Januar 2011 – 13 U 148/10). In diesen Fällen ist es gerechtfertigt, §§ 166, 278 BGB (analog) nur dann anzuwenden, wenn der Makler mit Wissen und Wollen des Verkäufers dessen Aufgaben übernimmt und so in dessen Pflichtenkreis tätig wird (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. Januar 2011 – 13 U 148/10). Wie oben dargelegt, trat die Zeugin G2 vorliegend allein aufseiten der Beklagten als deren Verhandlungsgehilfin auf und fungierte als deren Ansprechpartnerin, so dass die Voraussetzungen einer Wissenszurechnung auch im Lichte der von den Beklagten zitierten Rechtsprechung zu bejahen sind.

(bb) Die Zeugin G2 hat zur Überzeugung des Senats trotz Kenntnis des Blindgängerverdachtspunktes VP 6311 die Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger arglistig nicht erfüllt.

Dass die Zeugin G2 zum Zeitpunkt der Durchführung der Besichtigungstermine Kenntnis von dem Blindgängerverdachtspunkt hatte, steht fest aufgrund ihrer glaubhaften Angaben im Senatstermin. Die Zeugin hat bereits zu Beginn ihrer Vernehmung freimütig eingeräumt, Kenntnis von dem Verdachtspunkt gehabt zu haben. Wann genau sie von dem Verdachtspunkt Kenntnis erlangt habe, wisse sie nicht mehr. Sie wisse jedoch, ein Schreiben von der Stadt D erhalten zu haben.

Soweit sich die Zeugin G2 im Senatstermin darauf berufen hat, sie habe bei den Besichtigungen nichts zu dem Bombenverdachtspunkt gesagt, weil sie diesen nicht für relevant gehalten und sie nicht daran gedacht habe, ist dies unbeachtlich. Diese erst im weiteren Verlauf der Vernehmung und auf entsprechende Nachfrage des Senats gefallene Äußerung der Zeugin G2 ist – betrachtet man den Gesamtkontext ihrer Angaben in der Vernehmung – so zu verstehen, dass sie lediglich ergänzend zu erklären und zu rechtfertigen versucht hat, weshalb sie den Kläger – vor Abschluss des Kaufvertrages – nicht aufgeklärt hat. Denn ihre diesbezügliche Angabe steht im Widerspruch zu ihrer spontanen Äußerung zu Beginn ihrer Vernehmung, sie habe Kenntnis vom Blindgängerverdachtspunkt gehabt. Der Senat ist auf Grundlage dieser Angabe davon überzeugt, dass die Zeugin im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins stets Kenntnis von dem Bombenverdachtspunkt hatte und die Angabe, sie habe den Verdachtspunkt nicht für relevant gehalten und nicht daran gedacht, als eine sie selbst und die Beklagten – ihre Söhne – entlastende Schutzbehauptung zu werten ist.

Selbst wenn man die Aussage der Zeugin G2 indes so verstünde, dass sie eine Aufklärung nicht für (rechtlich und tatsächlich) relevant gehalten, also angenommen habe, dass keine Rechtspflicht zur Offenbarung bestehe, ist hieraus nichts zugunsten der Beklagten abzuleiten. Denn für einen den Vorsatz und damit die Arglist ausschließenden Rechtsirrtum tragen die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – XI ZR 586/07 -, Rn. 20, beck-online; Grüneberg/Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Rn. 11 zu § 276 BGB). Hierzu haben die Beklagten jedoch weder konkret vorgetragen, noch den Beweis erbracht. Vielmehr ist der Senat im Gegenteil davon überzeugt, dass die Zeugin keinem erheblichen (Rechts-)irrtum unterlag, sondern das Bewusstsein hatte, pflichtwidrig zu handeln. So hat die Zeugin G2 in ihrer Vernehmung selbst eingeräumt, von dem Schreiben der Stadt D vom 10.04.2019 (Anlage K3, Bl. 164 ff. d.A.) Kenntnis gehabt zu haben. Sie wusste also, dass der Verdachtspunkt im Zusammenhang mit der Baumaßnahme des Nachbarn H untersucht werden sollte und dass Bohrungen auf dem – ausdrücklich im vorgenannten Schreiben genannten – streitgegenständlichen Flurstück F4 geplant waren. Sie wusste demnach auch, dass die (bauliche) Nutzung des vorgenannten Flurstücks aufgrund des Vorhandenseins des auf dem Flurstück F1 gelegenen Verdachtspunkts durch behördliche Maßnahmen auch künftig eingeschränkt werden konnte, woraus sich die Aufklärungsbedürftigkeit über die Existenz des Verdachtspunktes ergibt. Dass die Zeugin die vorgenannten Umstände für rechtlich relevant erachtete, ergibt sich auch daraus, dass sie nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages dem Kläger den von ihr zusammengestellten Ordner mit den Hausunterlagen übergab, der auch die Korrespondenz über den Bombenverdachtspunkt enthielt.

Der Senat ist schließlich davon überzeugt, dass die Zeugin zumindest mit der Möglichkeit der Unkenntnis des Klägers bezüglich des streitgegenständlichen Mangels rechnete und billigend in Kauf nahm, dass die Kenntnis des Klägers Auswirkungen auf den Kaufentschluss gehabt hätte. Denn es war offensichtlich, dass der Kläger von der Besichtigung des Bombenverdachtspunktes und den hierdurch hervorgerufenen Aktivitäten der Behörde keine Kenntnis haben konnte. Dass der Mangel Bedeutung für die Kaufentscheidung des Klägers hat, lag ebenfalls auf der Hand. Die Beklagten haben im Übrigen im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslasten nicht zu einer diesbezüglich abweichenden Vorstellung der Zeugin vorgetragen, was zu ihren Lasten geht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. November 2010 – V ZR 181/09 -, Rn. 14 ff.).

bb. Soweit eine Fristsetzung zur Nachbesserung erforderlich ist, ist diese im Falle eines – wie hier vorliegenden – arglistigen Verschweigens von Mängeln entbehrlich (vgl. BGH, Beschluss vom 08.12.2006 – V ZR 249/05).

cc. Ein Verschulden der Beklagten liegt vor; zu ihrer Exkulpation ist nichts vorgetragen, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.

dd. Der Kläger kann von den Beklagten im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs grundsätzlich Ersatz der künftig entstehenden Mangelbeseitigungskosten (nach §§ 437 Nr. 3 a.F., 280 Abs. 1 und 2, 281 BGB) sowie weitere Schäden (nach §§ 437 Nr. 3 a.F., 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB) verlangen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Kläger mit Kosten, die mit einer Untersuchung des Verdachtspunktes und einer daran möglicherweise anschließenden Entschärfung und Bergung des Kampfmittels einhergehen, grundsätzlich belegt werden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Schreiben der Stadt D vom 03.12.2020 (Anlage B2, Bl. 57 d.A.), wonach der Grundstückseigentümer die Kosten „für vorbereitende, begleitende sowie nachbereitende Maßnahmen (z.B. Bewuchs entfernen, Beseitigung von offensichtlich eisenhaltigen Auffüllungen, Wiederherstellung der Ausgangssituation, etc.)“ tragen muss, sondern auch aus dem Runderlass des Ministeriums des Innern – 36-54.01 – vom 16. März 2022, in dem in Ziff. 2.3. geregelt ist, dass „die Kosten vor- und nachbereitender Maßnahmen nach den Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes in Verbindung mit § 1004 BGB und § 19 AKG von der örtlichen Ordnungsbehörde beziehungsweise von der oder dem Dritten auf dessen Kosten zu erledigen“ sind. Daraus folgt, dass der Kläger zwar nicht die Kosten der Untersuchung, Entschärfung oder Bergung selbst zu tragen hat, jedoch mit Folgekosten wie insbesondere das Aufnehmen und Neuverlegen von Pflastersteinen auf dem Flurstück F4 im Zusammenhang mit Untersuchungs- und Entschärfungsmaßnahmen belegt werden kann.

Ein Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Minderwertes des Kaufobjekts, der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bereits bestanden hat, scheidet demgegenüber aus, so dass der Tenor des angefochtenen Urteils entsprechend abzuändern ist. Denn das Landgericht hat den in erster Instanz gestellten Klageantrag zu 2., gerichtet auf Ersatz eines bestehenden Minderwerts aufgrund der „Belastung“ des Kaufobjekts mit dem Blindgängerverdachtspunkt, rechtskräftig abgewiesen. Ein Sachurteil, das eine Leistungsklage abweist, stellt grundsätzlich fest, dass die begehrte Rechtsfolge – hier Ersatz eines bei Abschluss des Kaufvertrags etwaig bestehenden Minderwerts – aus dem Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1995 – V ZR 178/93; OLG Hamm, Urteil vom 13. November 2015 – I-12 U 8/15). Damit hat das Landgericht für den Senat nach § 322 Abs. 1 ZPO bindend festgestellt, dass ein Anspruch des Klägers auf Ausgleich eines Minderwerts des Grundstücks nicht besteht, so dass der Feststellungsantrag des Klägers diese Rechtsfolge nicht (mehr) umfassen konnte und durfte.

Das von den Beklagten mit der Berufung darüber hinaus aufgeworfene Problem, dass der Kläger nach dem Tenor des angegriffenen Urteils – kumuliert – sowohl die Kosten der Mangelbeseitigung als auch einen etwaigen Minderwert des Grundstücks hätte geltend machen können, stellt sich nach der oben begründeten Abänderung des Urteilstenors nicht mehr.

ee. Die Beklagten haften nach § 421 BGB als Gesamtschuldner, was im Tenor des angefochtenen Urteils entsprechend klarzustellen ist.

2. Die Kostenentscheidung folgt für die I. Instanz aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, für die II. Instanz aus §§ 92 Abs. 2 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Bei der Bildung der Kostenquote für die Kostenentscheidung I. Instanz war zu sehen, dass der Kläger lediglich mit dem Klageantrag zu 3.), dessen Streitwert mit 3.000,00 Euro zu bemessen war, obsiegt hat. Im Übrigen ist er unterlegen, so dass – ausgehend von einem Gesamtstreitwert von 24.721,03 €, der die vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung erklärte, einseitig gebliebene Teilerledigungserklärung hinsichtlich des ursprünglich gestellten Klageantrags zu 1.) berücksichtigt – der Kläger die Kosten zu 88% und die Beklagten die Kosten zu 12% zu tragen haben.

Für die Kostenentscheidung II. Instanz war zu berücksichtigen, dass – wie oben dargelegt – ein Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Minderwerts des Grundstücks nicht besteht und der Kläger insoweit unterlegen ist. Ausgehend von dem für die I. Instanz festgesetzten Streitwert von 3.000,00 Euro für den Wert des Klageantrags zu 3. (Feststellungen der Ersatzpflicht hinsichtlich der weiteren Kosten neben dem Zahlungsantrag zu 2.) ergibt sich bei einem Streitwert für den Klageantrag zu 3.) von 13.000,00 Euro in II. Instanz eine Kostentragungsquote von 77% aufseiten des Klägers und 23% aufseiten der Beklagten.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

  17. Januar 2023
  Kategorie: Immobilienrecht